28 km - 890 HM
Ich gebe es zu - meine erste Nacht in der Wildnis war bescheiden! Meine campsite hat sich zwar als echter Glücksgriff erwiesen, aber geschlafen habe ich trotzdem nicht viel. Das hatte vor
allem einen Grund: Mir war kalt. Und zwar richtig. Obwohl ich in der Hängematte eigentlich gar keinen Bodenkontakt hatte und mein Schlafsack auch für "normal" kalte Nächte ausgelegt ist, habe ich
fast durchgehend gefroren. Dass ich meine Isodecke schließlich aus dem Rucksack gekramt und in die Hängematte gelegt habe, hat zu einigem MEHR an Geraschel und Herumgerutsche in der Hängematte
geführt - leider nicht zu nennenswert MEHR Wärme! Aber ich will nicht jammern, denn der Blick auf Millionen und Abermillionen Sterne über mir hat alles wieder wett gemacht!!!
Aber eigentlich wollte ich ja noch über die erste Etappe meiner Tour berichten. Um es einmal vorweg zu nehmen: Der Lechweg beginnt sprichwörtlich im Nirgendwo. Wie bei allen (Fern)Wanderwegen
sollte man sich also zunächst darüber im Klaren sein, wie man an den Ausgangspunkt der Wanderung gelangt und gegebenfalls auch wieder zurück nach Hause kommt. In meinem Fall hat sich das
(relativ) gut gefügt - ich bin, gemeinsam mit meinem Mann, mit dem Auto nach Lech am Arlberg gereist. Auf der Hinfahrt fährt man, von Reutte/Tirol kommend, gleich das gesamte Lechtal ab. In Lech
angekommen haben wir dann eine Nacht im Hotel übernachtet. (Das allein macht den Lechweg EVENTUELL zu einem etwas kostspieligen Vergnügen - ich habe im ganzen Ort kein Hotel entdeckt, das weniger
als 4 Sterne hatte. Ein sehr elitärer Ort.) Am nächsten Tag ging es per Doppelstockbus (!) auf einer abenteuerlich schmalen Straße in ca. 30 Minuten hinauf zum Formarinsee. Kosten pro Person:
Schlappe 17 EUR! (OK, es war eine TAGESKarte, aber die haben wir ja de facto nicht benötigt. Andere Optionen gab es aber nicht.)
Der Formarinsee wurde uns als "Kraftort" und "einer der schönsten Orte Österreichs" angepriesen. In Wirklichkeit ist es... nun ja, ein Bergsee. Aber immerhin hatten wir mit unserer Ankunft am See
den Ausgangspunkt unserer (eher: meiner) Wanderung erreicht. Mein Mann hat mich lediglich auf der allerersten Etappe des Weges, also zurück bis nach Lech, begleitet. Es war ein schöner Auftakt!
Der Lechweg startet jenseits der Baumgrenze in hochalpinen Gelände. Von 1800 Metern ü.N.N. geht es über Stock und Stein bergab. Irgendwo in dieser Steinlandschaft entspringt der Lech in Form von
vielen kleinen Quellbächen, die sich bald zu einem Bach vereinigen, der schnell zum Fluss anwächst. Wir genießen die abenteuerliche Landschaft und den schönen und abwechslungsreichen Weg. Nach
ca. 3 Stunden erreichen wir wieder Lech. Ich werde noch einmal kurz von der Zivilisation verschluckt und krame noch ein paar Sachen aus dem Auto zusammen, bevor mein Mann wieder nach Hause
aufbricht und ich den Rest des Weges (NUR noch 110 Kilometer) allein in Angriff nehme.
Ich hatte diesem Moment mit Respekt entgegengesehen - nun, da ich auf mich allein gestellt bin, weiß ich: An dieser Tatsache gibt es für die nächsten Tage eben nichts zu rütteln. Also schnappe
ich mir meinen Rucksack und breche auf. Die Website des Lechweges empfiehlt als "sportliche Variante" 6 Tage Zeit für den Weg einzuplanen. Eine Bloggerin hat es relativ locker in 5 Tagen
geschafft. Irgendwie logisch, dass ich mir in den Kopf gesetzt habe, dass 4 Tage reichen müssen. Die super-sportliche Variante, sozusagen. Zu diesem Zeitpunkt gehe ich ja auch noch davon aus,
dass der Weg immer am Fluss entlang bequem flussabwärts führt.
Von diesem Ziel bin ich im Moment noch weit entfernt. Kurz vor Warth geht es steil bergan, dann ist der Zielort erreicht. Ich erfrische mich kurz am Dorfbrunnen (eine geniale österreichische Instution, die in nahezu jedem Dorf zu finden ist) und ziehe weiter meines Weges. Es ist 17 Uhr. Ein Blick auf die Karte verrät mir, dass es eventuell eng werden könnte, mein Tagesziel zu erreichen. Da ich aufgrund meines "Schneckenhauses" auf dem Rücken aber komplett flexibel bin, beschließe ich, weiterzugehen, so lange es hell ist und meine Kraft reicht.
Nach Warth wird der Weg freundlicher. Nach einer kleinen Hängebrücke geht es über Almwiesen sanft bergan. Auch das nächste Dorf lässt nicht lange auf sich warten. Eine Wirtin wirbt mit dem "besten preisgekrönten Apfelsaft Tirols" und ich lasse mich nicht lange bitten und lege eine Rast ein. Der Saft ist lecker und gibt noch einmal richtig Energie. Ich gehe noch ein paar Kilometer - dann weckt eine vor Blicken geschützt stehende Baumgruppe mein Interesse. Der Rest ist Geschichte - ich beschließe, hier mein Nachtquartier aufzuschlagen. Obwohl ich in dieser Hinsicht absolute Anfängerin bin, klappt alles wie am Schnürchen. Für den (unwahrscheinlichen) Fall, dass es in der Nacht regnen sollte, steht gleich um die Ecke ein kleine Schutzhütte. Wasser gibt es (fließend und sauber) aus einer Viehtränke. Etwas weiter oben gibt es sogar einen Grillplatz (die gehören hier scheinbar zum Inventar von Wanderwegen - eine coole Idee, wie ich finde), aber ich begnüge mich mit Nudelsuppe, gekocht auf meinem Esbit-Kocher. Ich bin sehr zufrieden und krieche erschöpft in meinen Schlafsack. Der Rest der Nacht... na ja. Siehe oben.